Leipzig, 1. Tag ( völlig erschöpft )
 
Kinder, mir schwirrt der Kopf! Weder mag ich große, unübersichtliche Architektur, noch gaaaanz viele Menschen auf einem Haufen ... als ich über die A 14 in die Zufahrtsstrasse einbog, hatte ich diese plötzliche Idee, dreh um, Junge! Hat keinen Zweck! 

Aber dann habe ich mich überwunden, und es war gar nicht so schlimm. Etwas beleidigt war ich allerdings, dass, als ich kam, niemand laut aufschrie, applaudierte oder mir einen Schlüpfer zuwarf. Aber als Martin Schulz kam! Genau zum Stand gegenüber. Schrei, Applaus, naja gut, keine Dessous. 

Wie schade: Ich habe eine liebe Besucherin verpasst, die sich mit neuer Hüfte aus Mittweida hergequält hat. Und zwar um exakt 21 Minuten! Es tut mir sooo leid! Wirklich, ich könnte heulen! Aber zwei Staus auf der A 9 und einer beknackten Bundesstraße, mit der ich den Stau umfahren wollte, haben mich fast zwei Stunden gekostet. Nicht böse sein, liebe Brigitte! 

Ich hätte Seminare besuchen sollen, aber die Stände, insbesondere meines Verlages, waren interessanter. Viel geschwatzt, auch mit Schriftsteller-Kollegen. Hat Spaß gemacht. Aber: Ich bin völlig erledigt! 😝😴


Begegnungen. Unglaubliche, schöne, lustige Begegnungen. Ich fange an, mich auf Wien zu freuen. Und auf ein paar kleinere Veranstaltungen zwischendrin. Frankfurt ist wohl nur Big Business. Aber hier ist alles fröhlich, und spannend, und aufregend. Und unfaßbar viel junge Leute! Sag keiner, die heutige Jugend läse nicht mehr. Doch! Tun sie! 

Leipzig, 2. Tag ( in guter Stimmung )

Ich wohne zur Zeit in Dessau. Ich könnte ja jetzt meinen guten Geschmack herausstreichen, Bauhaus und so ... aber nein. Die Messepreise in Leipzig konnte und wollte ich mir nicht leisten. Das kleine Hotel "7 Säulen", das sich als Perle und absoluter Glücksgriff erweist, liegt in der Ebertallee, in der die wunderbaren Meisterhäuser im Bauhausstil stehen. Sehr empfehlenswert!

Zur Messe nach Leipzig sind es nur 60 km, über A 9 und A 14 ... 

Ja, und an meinem 2. Tag habe ich endlich mal was gearbeitet, statt immer nur am Messestand Halle 4/D210 anmutig herumzusitzen und Charme und Kompetenz zu verbreiten! Der Tag ging mit Kinderbüchern und der Notwendigkeit einer undogmatischen Berücksichtigung der neuen, bunten Familienstrukturen und der Darstellung entzementierter Genderrollen los und endete mit dem Thema Selfpublishing bei Amazon, BoD, Neobooks/epubli. Superspannend.

Ja, und zwischendurch gab es viele aufregende Begegnungen. Also, für mich aufregend. Ich bin ja Anfänger. Mich regt schon auf, wenn mich jemand von gestern wieder erkennt und Hallo zu mir sagt!

Zum Beispiel ein sehr nettes Ehepaar. So Mitte 40 bis Anfang 50. Sie betrachten die Auslagen ... dann steuert sie auf ein Buch zu - ratet mal, welches. Ich stürze mich auf sie und lobe ihren guten Geschmack. Sie erklärt mir, dass der Titel sie bewegt hat, weil sie auch so lange, nämlich bis vor einem halben Jahr, auf die Liebe gewartet hat. Im Theater, bei einer Ballettaufführung, saßen sie nebeneinander ... wir fachsimpeln etwas zum Thema Liebe, nachdem ich mich als Urheber zu erkennen gegeben habe. Sie lacht plötzlich laut auf, nachdem sie etwas gelesen hat. "Wissen Sie eigentlich", sagt Sie zu mir, "dass ich Krankenschwester bin? Und zwar auf der Urologie?"

Zum Beispiel ein Herr von der Presse. Er habe gehört, ich sei Autor. Interessant. Ob ich Zeit für ein kleines Interview .... Leute! Ich bin WICHTIG! So also fühlt sich das an! Ich komme mir vor wie die Kanzlerin. Na gut. Er wird mich vorstellen, verlinken, empfehlen. Abschließend macht er noch zwei Fotos. Eins mit einer netten Kinderbuchautorin und eins von mir allein. Ich bin ein Star, lasst mich hier drin!

Ich sitze im Gespräch mit einer sehr liebenswürdigen Dame und ihrem Gatten, den, wie er mir anvertraut, ein Prostatakrebs plagt. Ein bildhübsches, frisches junges Mädchen nähert sich. Auf dem Tisch sind Infokarten, Lesezeichen, Leseproben, das Magazin des Novum-Verlags dekoriert. Sie greift zu den Lesezeichen. Erst vom neuen Sachbuch. 
Dann liegt meins aus. Ihre Hand schwebt darüber wie ein Greifvogel ... und überspringt mich. Ehrlich! Sie greift in den Stapel mit dem esoterischen Gesundheitsbuch! "Was soll das denn?", entfährt es mir. Sie schaut mich überrascht an. "Warum haben Sie kein Lesezeichen von diesem wunderbaren, vielbeachteten Roman dieses gutaussehenden, jungen Erfolgsautors genommen?" Sie sieht immer noch erstaunt aus. "Ach, wissen Sie, Liebe ... das ist nicht so mein Ding!" Jetzt ist es an mir, verblüfft dreinzuschauen. "Was sagt denn Ihr Freund oder Ihre Freundin dazu?" Hätte sie nicht, meint sie. 

Ich merke, hier hilft nur Strenge. "So wird das auch nix, Kind", sage ich ernst zu ihr. "Los! Sie nehmen jetzt SOFORT ein Lesezeichen und eine Leseprobe mit. Keine Widerrede!" Sie lacht. "Na gut! Für meine Mama! Die steht auf so'n Schrott!" 
Also ich muss schon sagen: Eine feine Jugend wächst uns da heran! Wo soll das bloss enden?

Eine Kollegin schwebt herbei, ihr selbst gemachtes Büchlein in den knochigen, juwelenverkrusteten Fingern. Schweizerin. Hört man ja. Und irgendwie sieht man's auch. "Grüezi mitanand", hallt es mir entgegen. "Sie waren auch schon mal tot?" Ich nicke zierlich und bescheiden. "Genau wie ich", ruft sie begeistert aus. "Und schauen Sie, was aus mir geworden ischt! Würdet Sie glauben, dass ich schon 68 bin!?" Nein. Sie wirkt keinen Tag älter als 84. Aber das behalte ich sicherheitshalber für mich. 

Sie informiert mich anhand ihres Buches über meinen Schutzengel, nachdem Sie einige biografische und biometrische Daten abgefragt hat. Auf dem Bild sehe ich ein ätherisches, blondes, zartes Wesen in semitransparentem Gewand und einem offenbar gesegneten Appetit. Die Folgen exzessiven Käsefondue-Genusses, vermutlich. 
Ich bin etwas erschrocken. Meine Vorstellung vom Schutzengel ist muskulös, hat schwarze, leicht wellige Haare, einen dunklen Teint und einen Dreitagebart. Ha! Pech gehabt! So und nicht anders schaut er aus! 

Naja, und dazu kamen eben noch ganz unsagbar liebe Begegnungen mit Lesern und Menschen, die mir ein überraschendes Interesse entgegenbrachten. Ein schöner, spannender Messetag. Mein Gott, taten mir die Knochen weh, gestern Abend! Ich bin ja auch nicht mehr ganz taufrisch! 



Ja, na klar. Es gäbe auch noch den Sonntag. Aber Messe ist anstrengend, und wenn ich an die Hölle der Anfahrt vom Samstag denke, bin ich froh, hier auf meiner heimischen Couch zu sitzen und mein kleines, albernes Messetagebuch zu vollenden ... 

Leipzig, 3. Tag ( märchenhaft und verzaubert )

Hatte ich schon gesagt, dass ich in Dessau wohne? Also, nur wegen der Messe. Im Hotel "Sieben Säulen". 
"Warum gerade: SIEBEN Säulen?", frage ich die freundliche Rezeptionistin. Sie macht mich auf ein kleines architektonisches Meisterwerk am Anfang der Ebertallee aufmerksam. Egal, aus welcher Richtung am Kreisverkehr man sich dem Objekt nähere: Man sähe immer nur sieben Säulen. Gehe man näher drauf zu, erkenne man jedoch, dass es acht sind. Spannend. 

Den Blick aus meinem Hotelzimmerfenster nehme ich heute in besonderer Weise wahr. Eine alte, verwitterte Villa. Sie wirkt unbewohnt. Moment mal: Als ich gestern Abend aus Leipzig zurückkam, drang doch durch die Jalousie des kleinen Fensters rechts neben der Eingangstür ein unruhiger, flackernder Lichtschein! Eine unbestimmte Helligkeit, wie von einer Kerze, oder einer altersschwachen, nicht korrekt ins Gewinde gedrehten Glühbirne ... Wer lebt in diesem Haus? Handelte es sich um einen Lichtreflex eines Autoscheinwerfers, oder der Straßenlaterne? Den Widerschein aus einem Fenster des Hotels, in dem ich wohne? Oder hat die optische Belastung durch die Scheinwerfer auf der Messe meinem Auge einen Streich gespielt? 

Ich kann nicht glauben, dass das Haus bewohnt ist, so morsch und verfallen, wie es aussieht. Oder? Mit etwas Vorstellungskraft ... Eine alte, gebückte Frau, vielleicht ... vom Leben gezeichnet, einsam ... die trauerumflorten Augen trübe, die grauen Haare zu einem schlichten Knoten gedreht? Gramgebeugt unter ihrer Häkelstola, weil, als sie ein junges, bildschönes, hoffnungsvolles Mädchen war, ihre grosse Liebe sie betrog? 

Oder lebt dort ein Mann, mit pickliger, talgiger Gesichtshaut, stechenden, wasserblauen Augen und blondem, schütteren Haar und Oberlippenbart, in ausgebeulten Cordhosen und einer grünen Strickjacke über dem karierten Flanellhemd, der ein zurückgezogenes, unauffälliges Leben führt, aber hinter den dunklen Fenstern schall- und blickdichte Zellen eingerichtet hat, um dort Menschen gefangen zu halten? 

Ist es wohlmöglich gar kein Mensch, der dort lebt? Spukt dort der Geist einer gequälten Seele als Strafe für eine ungeheuerliche, im Leben begangene Verfehlung? Oder gar ein Untoter, der das sengende Tageslicht scheuen muss und deshalb nur nach Einbruch der Dunkelheit seinen Sarg verläßt, um sich bei Kerzenschein etwas frisch zu machen, bevor er holde Jungfrauen anknabbert? 

Oder schnappe ich langsam über? 

Eine Messe hat etwas sehr Inspirierendes, wie Ihr merkt, liebe Freunde ... aber einen Rat gebe ich Euch: Geht nicht am Samstag. Stau ab dem Schkeuditzer Kreuz. Ein Unfall. Noch ein Unfall. Und tout le monde will zur Messe. Es ist 9:30 Uhr, um 10 Uhr wird geöffnet. Was ich dort will? Ich bin verabredet! Ein Stündchen mit Lily, eins mit Louise. Und dann wieder heim. Dahin, wo nicht so viele Menschen sind. Und Autos. Und Ordner, die verzweifelt mit den Armen rudern und versuchen, das Meer zu teilen, wie weiland der olle Moses ... zentimeterweise geht es vorwärts. Dem Himmel sei dank für meine Dauerkarte! Die Taschenkontrolle war schon lang genug - jetzt auch noch an der Kasse anstehen ... 

Lily ist schon da. Ich habe schon von ihr erzählt, oder? Mittlerweile ist sie dabei, ihr 5. ( FÜNFTES! ) Werk vorzulegen, und irgendwie bin ich gerade sehr stolz, sie zu kennen. Sie legt all ihre Liebe hinein in das, was sie schreibt. 
Wir fachsimpeln - also: Sie fach, ich simpel - und, wenn man sich 40 Jahre kennt und gern hat, schwelgen auch in Erinnerungen. Mit ihr versuche ich etwas, was ich bisher immer entschieden abgelehnt habe. Ein Selfie. Es ist mein Erstes. Aber einmal ist ja immer das erste Mal, oder? 

Der zweite Höhepunkt des (Vormit)Tages nähert sich. An dem Messestand, an dem ich mich zwei Tage zu Hause fühlen durfte, muss ich heute einem Kollegen Platz machen, der seine zwei selbst gemachten Büchlein präsentieren darf. Deswegen habe ich ein Kärtchen mit meiner Handy-Nummer bekritzelt und Frau Krüger gebeten, dieses, sollte jemand nach mir fragen, auszuhändigen. Ich ziehe mich in den Biergarten zurück. 

'Sollte jemand nach mir fragen' ... dieser jemand heißt Louise. Ich habe keine Ahnung, wie sie aussieht, und wie sie so ist. Schon wieder eine Premiere, nach dem Selfie. Ein Blind Date! In meinem hohen Alter! Oder, wie man das heute nennt, zumindest bei Helene Fischer oder den Scorpions, ein Meet and Greet. Aufregend. Ich bin nervös. Ich würde ja gern einen guten Eindruck machen. Fröhlich UND intelligent ... Ich glaube, ich lass es lieber. Das letzte Mal, als ich versuchte, meine Nervosität durch ein charmantes Lächeln zu kaschieren, blieb meine Oberlippe an den knochentrockenen Vorderzähnen kleben. Ich muß ausgesehen haben wie ein verrücktes Kaninchen! 
Das Handy klingelt. Wir navigieren uns zusammen. Ob das nette, ältere, leicht verwirrt dreinschauende Ehepaar ... komisch. Ihre Stimme hört sich viel jünger an ... nein, der Dialekt ist eindeutig sächsisch, Louise klang vertraut nach Berlin! 

Wir stehen uns plötzlich gegenüber. Unter dem Buchstaben 'F'. Eine strahlende, hübsche, gut gelaunte, entspannte junge Frau mit einem supernetten Kerl im Schlepptau. Kennt Ihr das? Man begegnet jemandem, den man noch nie gesehen hat im Leben. Und es ist, als kennte man sich schon jahrelang. Unkompliziert, echt, lustig, vertraut. Kein 'Ach du Schreck! Die hab ich mir völlig anders vorgestellt!' Mitnichten! Genau so. 
Wir mögen uns auf Anhieb. Also, ich kann natürlich nur für mich sprechen. Aber ich bin sicher, dass es umgekehrt genauso ist. Louise zeigt mir Fotos von einem niedlichen kleinen Hund, und einem zauberhaften Kind. Das macht man doch nicht, wenn man wen nicht leiden kann, oder? Na also! 

Auf der A 9 fällt es mir plötzlich ein: Verflixt! Du hast kein Selfie gemacht! So ein Mist! 
Na gut, dann eben beim nächsten Mal. Außerdem trägt man manche Bilder im Herzen und benötigt gar nicht unbedingt ein Foto. Das Mobiltelefon kündigt mit einem feinen "Ping" den Eingang einer Nachricht an. "Es war total schön, dich zu treffen." Steht da. Das ging mir ebenso, Louise. Dem ist nichts hinzuzufügen. 

Beim Verlassen der Messe höre ich, wie ein gelb bewesteter Ordner in eine Menge hineinruft, man möge Geduld haben. Er dürfe niemanden hereinlassen, die Halle sei überfüllt. "Jetzt is' einer weniger", entgegne ich in seine Richtung. Der Ordner lacht, die Jungs grölen ... 

Ich freue mich schon auf 'Buch Wien' im November. 
Und ich brauch dringend einen Selfie Stick. 





Leipziger Allerlei


Die neuen Leiden des alten P. oder
Letzter Ausweg Self-Publishing

Ich möchte eins vorausschicken: Ich verdanke dem Novum-Verlag viel. Ohne den gäbe es mich nämlich gar nicht. Zumindest nicht in der heutigen Form. 

Ich bin von Freunden und Verwandten gefragt worden, ob sich Leipzig für mich "gelohnt" hat. Mal abgesehen vom Blick auf Sachsen, Leipzig und Dessau, den ja leider besorgte Bürger verstellen - ja. 

Zunächst mal durch 'meinen' Verlag. Also, ich verdanke ihm die Veröffentlichung meines Buchs, und auch die eine oder andere Werbemassnahme. Ich mag das Cover, ich mag das Format, ich mag das Layout. Ich mag generell Bücher anfassen, aufschlagen, riechen. Allerdings: Das Lektorat war lieblos und unsorgfältig - darüber habe ich mich schon am Stand bei den sehr freundlichen Mitarbeiterinnen beklagt. 
Und was mich wirklich abstösst, ist die Tatsache, dass der Verlag, sofern Du nicht bereit bzw. in der Verfassung bist, mehr als den nicht unerheblichen Druckkostenzuschuss zu bezahlen, mit den Achseln zuckt und Dich gnadenlos in einer Blutlache liegen lässt. 

Müsste nicht ein Verlag Interesse daran haben, dass der Autor berühmt und sein Werk ein Bestseller wird? Irrtum. Wenn der Autor nicht bezahlt, wird eben auch nicht geworben, seine Anwesenheit am Messestand nicht angekündigt, sein Buch dort platziert, wo im Supermarkt die preiswerten Konserven stehen, und nicht in Augenhöhe. Es werden keine Leseproben, Lesezeichen, Info-Karten ausgelegt. Man hatte ja die Wahl zwischen Kassenpatient ( Taschenbuch ), Kassenpatient mit Zusatzversicherung ( Pro ) und Privatpatient mit Einbettzimmer und Chefarzt ( Premium ). 

Schade. Die Zusatzversicherung zahlt eben nicht alles. Und das spürt man deutlich. Obzwar man aufmunternde Sprüche hörst wie "Wir hoffen, Sie künftig zu unseren Hausautoren zählen zu können ... ", schwebt ein " ... aber nur, wenn Sie es sich leisten können!", unausgesprochen im Raum.

Von meiner Persönlichkeitsstruktur bin ich liebevoll, bescheiden, zurückhaltend, großzügig. Rummel um meine Person empfinde ich eher als bedrohlich. Ich verlange keine Massnahme, die mich zum D-Promi macht. Aber ich wünsche mir oft, so auch hier, vergeblich, Menschen, die mir ähnlich sind, anstelle knallharter Geschäftsleute.

Etwas, was ich kennengelernt habe, was mich erschreckt und ein Gefühl der Bestürzung in mir hinterlassen hat, ist die Arroganz im Literaturgeschäft. Zum einen durch ein Interview mit einem Literaturkritiker zum Thema Self-Publishing/Zuschuss-Verlage. Ganz schrecklich, fand er das. Dem Mittelmass sei nunmehr Tür und Tor geöffnet, der Himmel verfinstert sich, Kinder rennen schreiend zu ihren Müttern, der Untergang des Abendlandes steht bevor. 

Das stimmt ja so nicht ganz, oder? Ullstein verlegte Hera Lind. Heyne Utta Danella. Rowohlt Rosamond Pilcher. Erzähle mir bitte keiner, dass das literarische Größen sind. Aber sie bereiten Freude. Unterhaltung. Entspannung. Abwechslung vom eigenen Alltag. Ablenkung von Kummer und Sorgen. Selbst Hedwig Courths-Mahler, vor Kurzem von Bastei-Lübbe wieder aufgelegt, hatte und hat ihre Leser. 

Zum Zweiten irritierte mich die Aussage der Kinderbuch-Autorin Anne C. Voorhoeve, die eher ironisch von der Moderatorin eines Panels gefragt wurde, wie sie es denn fände, für einen Verlag "Auftragsarbeiten" erledigen zu müssen. 
"Ach, wissen Sie", meinte sie, "mein Lektor und ich kennen uns schon jahrelang, und er hat mir gesagt, dem Verlag fehlt noch ein Buch mit dem und dem Inhalt - schreib das mal!" Und daran arbeite sie nun.

Entschuldigung: Kennt jemand einen Lektor? Nicht irgendeinen, bitte! Einen mit Einfluss und Beziehungen! Wie sonst soll es gelingen, einen Verlag zu interessieren? Wenn man nicht Martin Schulz oder Christiane Hörbiger ist? Oder Hetzschriften à la Sarrazin anbietet? Oder Populäres nach dem Motto "Wie werde ich ohne Aufwand reich, schlank und prominent?"
Die Lektoren der Verlage haben ihre Autoren. Diese Autoren sind bekannt, befreundet, verschwägert und machen kaum noch Arbeit. Und angesichts dieser mafiösen Strukturen soll man eine Chance haben, sein persönliches Mittelmass abzuladen? 

Das alles habe ich gelernt. Die Mitteilungen der Verlage - sogar Bastei Lübbe, der ja nun nicht gerade für hochgeistige Inhalte berühmt ist - hielt ich für den Beleg meiner Inkompetenz. Das Feedback meiner Leser sagt mir etwas Anderes. Liegt's am Ende gar nicht an meinen Unzulänglichkeiten? 

Zum Dritten konnte ich mich mit dem Thema "Self-Publishing" auseinandersetzen. Ist ebenfalls nicht umsonst, aber kostet auch nicht € 5500.- plus ... wobei das Plus für 'ohne Ende' steht. BoD, neobooks/epubli, Amazon. Besuchen wir mal im Juni den Self-Publishing-Day in Hamburg. Tolle Leute in heiterer Atmosphäre, verspricht die Vorankündigung. www.spday.de. 

Irgendwie schade. Ich hätte gern auch mein zweites Baby in der Novum-Klinik zur Welt gebracht. Allerdings in einem hellen, freundlichen Kreisssaal, in dem man mich kennt und nicht der jüngste Assistent zum Üben auf mich losgelassen wird. Als Kassenpatient kann ich mir das allerdings momentan nicht leisten. 


Frankfurter Buchmesse, 12.10.18

74 Euro für eine Eintrittskarte. Kinder, Kinder. Aber wir haben es ja. Geld spielt keine Rolle, Gottseidank. Und: Es war wunderbar, beim Kelter-Verlag. Mir saß Anna Basener mit ihrem gnadenlosen Urteil über Heftromae im Genick. Und nun war alles anders. Völlig anders, sogar. Mein Konzept, von der weiterlaufenden, durchgängigen Story und den sich entwickelnden Charakteren, deren Geschichte in unterschiedlichen, teils verwobenen, teils sich berührenden Strängen erzählt wird, fand Anklang. Meine Figuren haben eine Vorgschichte, etwas, das sie antreibt. Und sie werden von ihrer Sehnsucht getragen. 

Komisch. Ich hatte immer geglaubt, dass Lektoren - gar, CHEFlektoren, promoviert! - ganz fürchterliche Menschen sind, die in arglos vorübergehende Autoren ihre Raubtierzähne schlagen und nichts bis auf die Knochen von ihm übrig lassen. Und die bereits erwähnte Frau Basener hat ja behauptet, dass von allen Seiten bedrohliche Formalismen wie böse Geister auf einen zuflattern. Nein, das ist nicht so. 

Wenn ihr mich sucht: Bin am Arbeiten!