Was meine Mutter so alles aufbewahrt hat! Peik lernt schreiben!
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Man achte auf das Datum! Otfried Preußler war genial!
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'Die kleine Hexe' hat mein Frauenbild nachhaltig geprägt ...
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Auch Erich Kästner zeigte sich nicht unnahbar, wenn auch deutlich knapper.
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Nein danke. Keine neue Mutter, bitte! 

Meine Mutter starb am 15.11.92. 25 Jahre ist das jetzt her, Kinder, wie die Zeit vergeht! Ich erinnere mich gut daran, dass die Leute mich fragten, warum ich nicht trauriger sei. 

Die Frage war berechtigt. Das Gefühl von Trauer stellte sich erst nach einem Jahr ein, unwillig, beinah. Tatsächlich fühlte ich mich eher befreit, aus mannigfaltigen Gründen. Und bis ich völlig ihrer Gedankenwelt entkommen konnte, vergingen viele weitere Jahre. Die Bewertungen und Maßstäbe, die sie mir einpflanzte, wirkten und wirken immer noch nach. 

Wenn mir heute Menschen begegnen, die sich anhören wie sie, reagiere ich ärgerlich. Auf Facebook merke ich das immer, wenn Reaktionen auf meine Texte kommen, die „kritisch“ sind. An erster Stelle die Reaktionen der gläubigen Freunde. Ich als Agnostiker bzw. Atheist äußere mich kritisch oder sarkastisch zum Thema Religion. Das tue ich selten, weil ich keinen Wert darauf lege, jemanden zu verletzen. Bestimmte Äußerungen, wie das berühmte „Ich bete für Euch“ nach Katastrophen anstelle tätiger Hilfe provozieren leider mein Komikzentrum. Und dann umgibt mich frischer Wind. Ich würde ja nur so reden, weil ich mich mit der Religion nicht beschäftigt hätte. Ich solle beten, und ( hier bitte eine beliebige „heilige“ Schrift einsetzen, von Torah bis Qu'ran ) lesen. Habe ich, Freunde, habe ich. Ich habe mich viel mit Religion beschäftigt. Das ist ja der Grund, weswegen ich NICHTS mehr damit zu tun haben will. 

[„Aber Junge! Nun sei doch nicht so unvernünftig! Du kannst es doch gar nicht wissen, wenn Du es nicht versucht hast. Hör doch auf mich, ich meine es doch nur gut mit Dir!“]

Ja, das ist sehr lieb, wie sich andere um mich sorgen. Danke dafür. Nicht erforderlich. Wenn auch interessant, wie wenig man bereit ist, zuzuhören. Ich erlebe hin und wieder, dass ich in einer meine Gruppen zu einem Thema Stellung nehme. Das habe ich mir inzwischen ganz abgewöhnt. Weil ich ein Referat erhalte, das viermal so lang ist, wie mein Post, und sich anhört, als stelle es die Korrektur meiner Aussage dar. Dabei entspricht es meinem Statement exakt, und enthält noch Zahlen und Statistiken, die belegen, was gesagt wurde. Auf meinen Hinweis, nichts Anderes gesagt zu haben, erhalte ich dann ein Ach so! Ja, es ist ja noch ziemlich früh! 

[„Junge, Du rufst ja nie an! Ich mach mir doch Sorgen um Dich!“
„Mama, ich habe vor zwei Tagen angerufen, und ich bin 30!“
„Siehst Du?“]

Überall erheben Mütter ihre Köpfe, bereit, gute, ungebetene Ratschläge und Hinweise zu geben. Das Spektrum ist bunt. Es reicht von burschikos-jovialen Ausrufen, Hey hey hey, Herr Volmer, Du schreibst da, der Baum ist grün! Mit welcher Berechtigung tust Du das? Ich halte ihn für zyklam! bis hin zum schnippischen Also ICH hätte dazu KEINE Stellung genommen.

[„Junge, das stimmt doch gar nicht! Woher hast Du denn bloß diese Aggressivität? Bestimmt von Deinem Vater, oder? Wieso hast Du -“ 
„Ich wurde gefragt. Und ich habe auf diese Frage eine Antwort gegeben.“
„Sei doch diplomatischer, Junge. Also, wenn Du MICH fragst -“
„Tu' ich nicht.“
„- dann hättest Du verbindlicher reagieren sollen, wie Du es von mir gelernt hast. Also ICH an Deiner Stelle hätte -“
„Du BIST aber nicht an meiner Stelle.“]

So ist das mit den Denkfehlern. Viel scheitert eben daran, dass ICH und ich zwei unterschiedliche Menschen sind. Das macht immer Probleme. Es gibt auch Sonderfälle, gerade neulich. Als Beweis dafür, dass keiner aufmerksam liest. Da ging es um Cannabis, und ich schrieb, dass ich drei Patienten betreut habe, die von dem Zeugs zentrale Krampfanfälle bekommen hatten. Daraufhin meldete sich jemand zu Wort. Im Gegenteil, so schrieb er, Cannabis reduziere Krampfanfälle, da hätte ich mich mal lieber besser informieren sollen. So lustig es ist, dass ein 20jähriger Drogenabhängiger mit mir über derlei diskutieren möchte. Er hat sogar recht! Es gibt Untersuchungen, die das zu belegen scheinen, wenn es auch keine randomisiert-prospektiven Doppelblindstudien mit belastbarem Datenmaterial sind. 
Aber davon hätte ich gar nicht gesprochen. Sondern davon, dass ICH drei Patienten kenne, bei denen Epilepsie AUSGELÖST wurde. 

[„Junge, Du brichst mir das Herz! Denk doch noch mal darüber nach! Was werden die Nachbarn sagen? Denen gefriert ja das Blut in den Adern!“
„Es ist mein Leben, Mama. Ich bin ganz allein für mein Leben verantwortlich. Ich hab nämlich nur dies eine. Und ich kann und werde nicht so leben, dass Dein Blut oder das der Nachbarn seine normale Temperatur behält.“]

Keiner hört hin, keiner liest, keiner versteht. Aber: Eine Beurteilung gibt’s. Auch wenn es gar keine wirklich Beurteilung ist, eher ein ‚Metoo‘-Text, der zwar mit einem Ja-aber losgeht, aber meine Aussage in anderen Worten wiederholt. Um zu zeigen, ha, ich weiß auch was dazu. Na gerne. Schön, dass wir mal drüber gesprochen haben. 

[„Junge, Du lässt überhaupt nicht mit Dir reden! Immerhin bin ich Deine Mutter! Ich werde doch wohl noch Kritik an meinem Herrn Sohn üben dürfen! Sei doch nicht so arrogant! Schlimm, dass Du all die schlechten Seiten Deines Vaters ... “]

Ja, das Ding mit der Kritik ... das ist eine schwierige Sache. Gelegentlich gebe ich Statements ab. Ich sage zum Beispiel, die AfD ist doof. Oder ich mag Merkel nicht wegen ihrer Blockadehaltung im Bezug auf die Gleichstellung der Ehe. Erneut umspielt eine frische Brise mein Antlitz. Ja, aber ... schallt es mir entgegen. Und dann kommen Argumente, dass in der AfD ja auch promovierte Akademiker sitzen, und die Partei die Antwort auf die jahrelange Ignoranz der Regierenden sei, und Merkel habe immerhin das Thema zur Abstimmung freigegeben ... 
Aha. Ich finde die AfD doof, und ich mag Merkel nicht. Es hat sich nichts geändert. Es wird sich nichts ändern. Es kann sich gar nichts ändern, denn das ist meine Haltung. 

[„Nun sei doch nicht so stur, Junge. Sei doch konzilianter!“
„Nein.“]

Wohlgemerkt: Ich würde unter einen Artikel über Merkel immer schreiben, Ich mag die Frau nicht. Ich habe nichts dagegen, wenn jemand unter diesen Artikel schreibt, Ich liebe sie, sie ist mein Vorbild. Ich schau mir das an, und denk mir meinen Teil. Meine Meinung, Deine Meinung. Grantig werde ich, wenn jemand beginnt, mich zu belehren, Ja, aber sie ist ein Garant für Stabilität, Wohlstand, Kontinuität ... das musst Du auch mal sehen ... ändere Deine Meinung! 

Nein, tu' ich nicht. Ich mag Merkel nicht. 

Oft genug schreibe ich Fragen auf. Denke ich falsch, wenn ich behaupte?, beginnen die. Oder: Kann mir bitte jemand erklären?  Oder Meint Ihr auch, dass? Dann freue ich mich über Hinweise, Verbesserungen, Kritik. Konstruktive Kritik. Ich hasse „Habichnicht-Hastdudoch“ - Dialoge, oder zur Schau gestelltes Entsetzen über meine Unfähigkeit.

[„Junge, wie konntest Du nur!“]

Ich freue mich auch über sachliche Korrekturen sachlicher Fehler. Das bringt mich weiter. Ich mag auch gegenteilige Standpunkte lesen. Aber eben nicht als Korrektur meiner Meinung von oben herab. Menschen, die glauben, sie seien mir überlegen, hasse ich. Und ich zeige ihnen sehr unsanft, dass sie sich geirrt haben. 
Und ja, ich lasse Kritik zu. Allerdings gibt es, wenn meine Einstellungen, Haltungen, Meinungen gar zu unerträglich werden, nur zwei Möglichkeiten: Weiterscrollen, oder Entfreunden. Nein, ich werde nicht religiös, weil ich Religion an sich ablehne. Nein, ich werde nicht Veganer. Nein, ich werde nicht FDP-Wähler. Ich bleibe der, der ich bin. Mich zu verändern, haben schon ganz andere versucht. 
Ist ja auch nicht schlimm, oder? Ich bin ja auch nicht mit Rechtsradikalen befreundet. Antisemiten haben in meiner Freundesliste nichts zu suchen. Oder religiöse Eiferer. Homophobe. Ihr findet Freunde unter Euresgleichen. Ich jedenfalls bin das nicht. Und hat man gemerkt, dass man einen Fehler gemacht hat, ist es nie zu spät, diesen zu korrigieren. Wenn’s nicht passt, dann passt es nicht.

[„Ich kenn' Dich gar nicht mehr wieder! Was ist bloß mit Dir los? Was ist aus meinem lieben, braven Jungen geworden? So warst Du doch früher nicht!“
„Ja, leider.“]

Kritisiert mich, wenn ich sachliche Fehler mache. Falsch gerechnet habe. Eine fehlerhafte Quelle bemühe, oder falsch zitiere. Korrigiert Schreib- und Grammatikfehler. Sagt mir, dass ich dumm bin, langweilig, und viel zu kitschige Texte schreibe. Nennt mich von mir aus arrogant und aggressiv. 
Bei Kritik daran, wie ich die Welt sehe, werdet Ihr scheitern. Ich vertrete hier die Summe von 60 Jahren. Ich habe die Weisheit nicht mit Löffeln gefressen, aber es gibt Leute, die behaupten, man könne es mit mir aushalten. 

Meine Mutter übrigens gehörte nicht dazu. Sie warf mich aus dem Haus, und erst, als sie im Sterben lag, habe ich sie noch einmal lebend gesehen. Ihr letzten an mich gerichteten Worte waren, wie könnte es auch anders sein, erzieherischer Natur. 

[„Entschuldige Dich bei Deinem Stiefvater.“
„Das kommt überhaupt nicht infrage. Wofür auch?“]

Ja, genau. Wofür, eigentlich?